Agenda-Beirat

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CSU und SPD wollen den seit 23 Jahren bestehenden Agendabeirat der Gemeinde abschaffen und durch ein „Zukunftsforum 2030“ ersetzen. Das hat bei den Mitgliedern des Beirates zu „beträchtlicher Bestürzung“ und im Gemeinderat zu erheblichen Dissonanzen geführt. Jetzt hat der Rat das Thema erst einmal ins Jahr 2021 vertagt.

Der Agendabeirat besteht seit 1997. Vertreten sind darin die Rathausverwaltung und politische Fraktionen; an den Sitzungen teilnehmen kann aber jeder interessierte Bürger. Themenschwerpunkte sind Energie und Klimaschutz, Fuß- und Radwege, Landschaftsplanung und eine nachhaltige Ortsentwicklung. Agendabeiräte gibt es in zahlreichen Kommunen Deutschlands: Sie sind Ergebnis der UN-Konferenz von Rio de Janeiro 1992, die ein umwelt- und entwicklungspolitisches Aktionsprogramm für das 21. Jahrhundert anstoßen wollte.

Im Kahler Agendabeirat arbeiten derzeit nach Angaben der Mitglieder rund zehn Ehrenamtliche als fester Kern; je nach Thema kommen weitere Interessierte dazu. Koordiniert wird die Arbeit von einem gewählten Agenda-Beauftragten. Das ist derzeit Hans-Dieter Manger, zugleich Gemeinderat der Grünen-Fraktion.

Mit einem gemeinsamen Antrag wollen CSU und SPD nun den Agendabeirat durch ein „Zukunftsforum 2030“ ablösen. In der Ratssitzung am Dienstag würdigte Brunhilde Basilius-Fiebig (SPD) die bisherige Arbeit des Agendabeirats. Jetzt, kurz vor dem Jahr 2021, sei es aber Zeit für einen Neustart mit neuen Aufbruchszielen. Diese erklärte Bernhard Bergmann (CSU): Die Arbeit benötige eine viel breitere Aufstellung. Schwerpunkte müssten der faire Handel, Nachhaltigkeit, Klimawandel und Verkehrsanbindung sein.

Es gebe mittlerweile „ganz viele neue Themen“, die zeitgemäße Antworten brauchten, so Bergmann. Erforderlich sei zudem eine „generationenübergreifende Bürgerbeteiligung“. Kahl müsse weiterentwickelt werden. Die bisherigen Mitglieder des Agendabeirats lud er ein, „gemeinsam weiterzuarbeiten“. Das neue Forum könne „im Sinne der Weiterentwicklung des Fair-Trade-Ausschusses vom dritten Bürgermeister geleitet werden“, heißt es in der schriftlichen Antragsbegründung.

Sylvia Hein (Grüne) fragte nach, ob der Antrag von CSU und SPD tatsächlich damit begründet werde, dass nun das Jahr 2021 bevorstehe – und damit die „Agenda 21“ abgelöst werden müsse. Denn das „21“ beziehe sich aufs gesamte 21. Jahrhundert: „Da haben wir noch 80 Jahre vor uns.“ Dieter Duzak (Grüne) kritisierte, dass die Mitglieder des Agendabeirats erst aus der Tagesordnung des Gemeinderats von dem Ansinnen erfahren hätten, dass das Gremium abgeschafft werden soll. Das hatte zuvor auch ein Beiratsmitglied in der Bürgerfragestunde bemängelt: „Warum wurden wir vorher nicht angefragt?“

Duzak fragte: „Was ist das eigentlich für ein Stil?“ Hier werde „ehrenamtliche Tätigkeit von Bürgern, die sich parteiungebunden engagieren, mit den Füßen getreten“. Wer die Sitzungen des Beirats besucht habe, hätte erfahren können, dass „hier mit hohem Sachverstand und großem Engagement wichtige Themen angegangen wurden“. Er zählte etliche Aktionen des Beirats auf und fragte nach der Sinnhaftigkeit der „Umfirmierung“.

Der Antrag von CSU und SPD sei „eine schallende Ohrfeige“ für die Mitglieder des Beirats und „ein weiterer Schritt, bürgerliches Engagement zu ersticken“. In zwei eigenen Stellungnahmen an den Gemeinderat hat der Agendabeirat auf den Antrag „mit großer Überraschung und beträchtlicher Bestürzung“ reagiert. Die meisten Punkte, die das „Zukunftsforum 2030“ bearbeiten solle, seien seit Jahren Themen des Agendabeirats, heißt es dort.

Die Beiratsmitglieder, von denen mehrere auch unter den Zuhörern waren, ärgern sich auch über „das Wie des Vorgangs“: „Wir können nur schwer nachvollziehen, weshalb über dieses Vorhaben nicht im Vorfeld mit uns gesprochen wurde und wir eher zufällig davon Kenntnis erhalten haben. Das drückt nicht nur eine praktisch nicht vorhandene Wertschätzung für unsere Arbeit aus, sondern nimmt auch billigend in Kauf, dass dies die Mitglieder des Agendabeirats vor den Kopf stoßen muss.“

Wie es nun mit dem Agendabeirat weitergeht, ist offen. Auf Antrag von Peter Kriegelstein (Grüne) wurde am Dienstag nicht endgültig über den Antrag von CSU und SPD abgestimmt: Vielmehr soll das Thema im zuständigen Bau- und Umweltausschuss weiterberaten werden.
mgh