Mahnwache Fukushima 11.03.2021 12. März 2021 Diese Rede wurde von Sylvia Hein während der Mahnwache gehalten: Guten Abend!Es scheint unfassbar, dass seit der Katastrophe von Fukushima bereits zehn Jahre vergangensind. Doch betrachten wir wie sich die Welt mit Corona binnen eines Jahres gewandelt hat, so hatmittlerweile jeder Mensch erleben können und müssen, dass ein Ereignis alles, was bis dahin alsNormalität betrachtet wurde, aus den Fugen reißen kann.Und so war es auch Heute, vor exakt 10 Jahren, am 11 März 2011, als ein Erdbeben der Stärke9,0 unter dem Meeresboden an der japanischen Ostküste eine Katastrophe verursachte, dieebenfalls alles bis dahin als selbstverständlich und normal geachtete für immer verändern würde.Meterhohe Tsunamiwellen konnten die Schutzmauern des Kernkraftwerkes Fukushima Daiichieinfach überspülen. Hinweise auf Risiken der verwendeten Reaktortypen undKonstruktionsmängel waren bekannt und wurden doch ignoriert…Was daraufhin und in den folgenden Tagen und Wochen passierte, möchte ich kurzzusammenfassen: Block 1-3 Kernschmelzen: Große Mengen an radioaktiven Emissionen werden freigesetzt. Diegesamte Umgebung wird kontaminiert.Bis zu 150.000 Menschen müssen das Gebiet vorübergehend oder dauerhaft verlassen.Vier von sechs Reaktorblöcken sind zerstört worden, seit Dezember 2013 gelten sie als „dauerhaftabgeschaltet“, doch die Entsorgungsarbeiten werden wohl noch Jahrzehnte dauern.Die Schnellabschaltung der Reaktoren wird ausgelöst, während gleichzeitig die externeStromversorgung des Kraftwerkes ausfällt. Notstromdieselgeneratoren laufen.Alle Blöcke schalten auf Notkühlung um.Durch das eindringende Wasser werden mehrere der Notstromaggregate überschwemmt.Betreiber TEPCO sagt, dass die Generatoren ausfielen, während 400 Mitarbeitende für den Notfallmobilisiert wurden, die sich jedoch mit einem gestörten Kommunikationsdienst, zerstörtenWegenetzen und Schäden an Türen und allen elektronischen Anlagen konfrontiert sahen und soim Grunde genommen keine Möglichkeiten hatten irgendwelche Schutzmaßnahmen zu ergreifen.Die laufende Unfallserie konnte nicht gestoppt werden, die inneren und äußerenRahmenbedingungen waren zu schwerwiegend.In den nächsten Tagen kommt es zu Wasserstoffexplosionen, welche die Gebäude nochzusätzlich beschädigen und jegliche Rettungsversuche weiter zunichte machten.Hochkontamininertes Wasser ist ausgetreten und konnte ungehindert in das Meer fließen.Während aller verzweifelter Maßnahmen ist die Strahlenbelastung merklich angestiegen.Ich könnte hier noch viele Stunden berichten und erzählen von den Arbeitsbedingungen, denRisiken für die dort Tätigen, von weitreichenden Entscheidungen wie das Kühlen mit Meerwasser,Behelfskonstruktionen, der steigende Druck der Sicherheitsbehälter, mehrere Bränden, Aussagenvon TEPCO, der Regierung und den anhaltenden Unsicherheiten über Informationen undGesundheitsrisiken. Ich könnte auch noch lange ausführen welche Maßnahmen zu welchenkleinen Erfolgen geführt haben, aber auch welche sich als Fehlentscheidungen erwiesen. Ich möchte aber mit Ihnen gemeinsam genauer schauen, wie es in Fukushima jetzt aussieht – 10Jahre nach der Katastrophe.Die intakten Brennelemente konnten geborgen werden, im Februar 2021 standen die Maßnahmenin Block 3 kurz vor dem Abschluss. Doch wo die Kernschmelze bereits eingetreten war, gibt eskeine Lösungen oder Konzepte: Weder für die Bergung noch für die Lagerungen der radioaktivenLava. Rund um das Kraftwerk selbst wurde die Präfektur Fukushima entseucht: Gebäude undStraßen wurden abgewaschen, auf landwirtschaftlichen Flächen, aber auch in Parks undSpielplätze wurden die oberen fünf Zentimeter Boden abgetragen. Auch heute stehen Säcke alsdrohende Mahnung vor Ort, sie sind mit 14 Millionen Kubikmeter kontaminiertem Material gefüllt. Diese und weitere Maßnahmen sind ergriffen worden um Fukushima wieder bewohnbar zumachen, z.B. wird in der Landwirtschaft darauf gesetzt Kalium zu verteilen, das die Pflanzen stattdem radioaktiven Cäsium aufnehmen. Doch gibt es nach wie vor Vorbehalte gegen Exporte ausder Region, wenngleich ihre Lebensmittelsicherheit gewährt sei. Es gibt Prämien für Menschen,die in die Region ziehen. Doch meist sind es die Älteren – Viele junge Menschen haben Angst vorder Radioaktivität und vor weiteren Naturkatastrophen(Reinhart Böring: Fukushima zehn Jahrenach der Katastrophe, 28.02.2021 auf ZDF Heute abgerufen).Die Regierung versucht mit Milliarden die Region aufzuwerten. Auch soll sie eine Vorreiterrolle beierneuerbaren Energien einnehmen, insbesondere der Wasserstoffproduktion. Die olympischen Spiele – verschoben, aber noch nicht abgesagt – sollen das Image der Regionstärken. Die Spiele als Symbol für einen gelungenen Wiederaufbau. Doch die Meinungen derMenschen sind gespalten, die meisten fühlen sich von ihrer Regierung nicht gehört (KathrinErdmann: Neuanfang nach der Katastrophe, abgerufen bei Deutschlandfunk Kultur vom01.03.2021).Erst am 21 Februar diesen Jahres gab es erneut ein schweres Erdbeben in der Region. Und eswar mehr dem Zufall als den Sicherungsmaßnahmen zu verdanken, dass die Tanks mittritiumhaltigem Abwasser nicht zerstört worden sind. Die Katastrophe steht in Deutschland für den Anfang vom Ende der Atomkraft.Nicht jedoch in Japan. Und je mehr das Thema „Klimawandel“ und die katastrophalenAuswirkungen auf unsere Erde und alles, was dort lebt, debattiert wird, desto lauter werdengerade auch die Stimmen der Atomkraft-Befürwortenden. Es heißt die globalen Klimaziele könnenohne Atomkraft kaum erreicht werden. Doch was vergessen Jene, die die Atomkraft als Heilmittelunserer Klimaprobleme betrachten: Sie vergessen, dass das Problem einfach in die Zukunftverschoben wird. Nach wie vor gibt es KEINE Antworten darauf, was mit atomarem Müll passierensoll, es gibt KEIN Endlager in Japan, in den Vereinigten Staaten, es gibt KEINE (Sigward Deckel imGespräch mit Anja Reinhardt: „Die Atomenergie war eigentlich nie richtig weg“ abgerufen aufdeutschlandfunk.de vom 29.11.2020)!Geld wird in veraltete Technologien gesteckt und frei nach dem Ausspruch „Nach mir die Sintflut“wird gehandelt als gäbe es kein Morgen mehr. Wenn aber unsere Generationen etwas dazubeitragen möchten, dass auch nachkommende auf diesem Planeten noch ein Zuhause finden,dann muss sie sich von der Illusion der vermeintlich sicheren Atomenergie verabschieden. Dannmüssen sie sich noch einmal die Berichte und Bilder aus Fukushima betrachten, die auch zehnJahre später mahnend dafür stehen, das etwas vergleichbares jederzeit wieder möglich ist. Dannmüssen sie lautstark dafür eintreten, dass finanzielle und wissenschaftliche Ressourcen dieerneuerbaren Energien vorantreiben. Wir als GRÜNE hier in Kahl fordern ganz konkrete Schritte, um uns in dieser Region deutlich zupositionieren: Solarenergie an den öffentlichen Gebäuden, energetische Sanierungen,Unterstützung für Bürger*innen bei der Installation eigener Solaranlagen, Speicher oderWärmeeinsparungen und das Einsetzen kommunalen Klimaschutzbeauftragten, die mit Fach- undSachkenntnissen aktiven Klimaschutz ermöglichen. Was vor Ort denkbar und möglich ist, sollteauch vor Ort umgesetzt werden – Und zwar zeitnah. Jeder Mensch soll und muss sich bewusst machen, dass er oder sie einen eigenen Beitrag zumKlimaschutz leisten kann und mit seinem Verhalten direkt Einfluss darauf nimmt.Seien Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst und wählen Sie einen verantwortungsvollen Umgang.Für sich, für alle Lebewesen, die auf dieser Erde leben und für jene, die hier auch noch weiterleben möchten ohne dass vergleichbare Katastrophen ihr Leben für immer negativ verändern. Und nun bitte ich Sie einen Moment inne zu halten für die mehr als 20.000 Menschen, diewährend und in Folge der Dreifach-Katastrophe von Fukushima ihr Leben verloren haben.Halten wir auch einen Moment inne für all jene, die ihre Heimat, ihre Angehörigen, ihreLebensgrundlage verloren haben und auch zehn Jahre danach weit entfernt sind von einervermeintlichen Normalität. Vielen Dank. Quellen:Reinhart Böring: Fukushima zehn Jahre nach der Katastrophe, 28.02.2021 auf ZDF Heuteabgerufen, Kathrin Erdmann: „Neuanfang nach der Katastrophe“ abgerufen bei DeutschlandfunkKultur vom 01.03.2021, Sigward Deckel im Gespräch mit Anja Reinhardt: „Die Atomenergie wareigentlich nie richtig weg“ abgerufen auf deutschlandfunk.de vom 29.11.2020https://de.wikipedia.org/wiki/Nuklearkatastrophe_von_Fukushima#
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