Tag der Menschenrechte 10.12.2020

Paolo Mandica, unsplash

Zehn Tage – Zehn Länder: 10. Dezember

Zum „Tag der Menschenrechte“ am 10. Dezember machen wir zehn Tage lang aufmerksam auf zehn Länder, in denen die Menschenrechtslage besonders dramatisch ist. Und auf die Frage, was wir damit zu tun haben.

Hier sind die ersten fünf Tage.

1. Dezember: Ägypten

In Ägypten sind Anfang Oktober diesen Jahres fast 50 Menschen innerhalb von zehn Tagen hingerichtet worden, darunter 15 Männer die wegen „politischer Gewalt“ verurteilt wurden. Seit 2014 gab es mehr als 2500 Todesurteile in Ägypten. Die Zahl der politischen Gefangenen wird auf aktuell über 60.000 geschätzt. Regimekritiker*innen begeben sich in Lebensgefahr.
 
Im März 2020 haben Sicherheitskräfte Kinder im Alter von 12 bis 17 Jahren willkürlich inhaftiert, verschleppt und gefoltert. Sie weigerten sich, die verzweifelten Angehörigen über den Verbleib ihrer Kinder zu informieren oder zu bestätigen, dass diese inhaftiert waren. Ein Kind wurde zum Tode verurteilt. In keinem Fall verfügten die Behörden über eine Rechtsgrundlage für die Verhaftung. Die Vorwürfe: Teilnahme an einer Demonstration, Beschädigung an einer Fassade und ähnliches.

Laut einer UNO-Studie haben 99 Prozent aller ägyptischen Frauen Erfahrungen mit sexuellen Übergriffen gemacht – also quasi alle. Vergewaltigungen werden aber selten zur Anzeige gebracht: die Frauen müssen befürchten, selbst verurteilt zu werden, wegen „Verletzung von Familienwerten“.

Was haben wir damit zu tun? Deutschland ist nach China mit einem Handelsvolumen von knapp 4,5 Milliarden Euro (2019) zweitgrößter Handelspartner. Deutsche Touristen stellten 2019 mit 1,8 Mio Besucher*innen die mit Abstand größte Gruppe. Und: Ägypten ist Deutschlands wichtigster Kunde bei Rüstungsgütern. Allein im vergangenen Jahr genehmigte die Bundesregierung Rüstungsexporte für knapp 802 Millionen Euro an Ägypten.

Quellen: Human Rights Watch, Auswärtiges Amt

2. Dezember: Katar

Immer noch werden in Katar zwei Millionen Migrant*innen massiv ausbeutet. Löhne werden zurückgehalten oder nicht ausgezahlt, neben Verstößen gegen ihre Arbeitsrechte werden zahlreiche Hausangestellte auch körperlich und sexuell misshandelt. Viele Frauen müssen mehr als 18 Stunden am Tag arbeiten und haben keinen einzigen freien Tag, sie werden beleidigt, angespuckt oder geschlagen. Zwar hat Katar aufgrund des internationalen Drucks – vor allem im Hinblick auf die Fußball-WM 2022 – einige Reformen eingeführt, jedoch werden diese nicht konsequent umgesetzt. Da die Migrant*innen auf ein Einkommen und die Unterkunft angewiesen sind, ist es für die meisten keine Option, Anzeige zu erstatten.

Was haben wir damit zu tun? Deutschland und Katar unterhalten ausgeprägte Handelsbeziehungen. Die deutschen Exporte nach Katar betrugen 2018 rund 1,4 Milliarden EUR, die Importe beliefen sich auf ca. 300 Millionen EUR. Katar ist einer der größten ausländischen Investoren in Deutschland und u.a. an Volkswagen, der Deutschen Bank, Siemens und Hapag-Lloyd substanziell beteiligt. Für die kommenden Jahre hat Katar weitere umfangreiche Investitionen in Deutschland angekündigt.

Quellen: Amnesty International, Auswärtiges Amt

3. Dezember: Belarus

Die Massenproteste gegen Lukaschenko reißen nicht ab. Immer wieder gehen die Sicherheitskräfte mit brutaler Gewalt und unter Einsatz von Tränengas und Blendgranaten gegen die friedlichen Demonstranten vor. Das Volk fordert freie und faire Wahlen unter unabhängiger Beobachtung, nachdem sich Lukaschenko am 9. August trotz offenkundiger Wahlfälschung – wieder einmal – zum Sieger der Präsidentenwahl erklärt hat. Seither werden an jedem Protestsonntag Hunderte friedlicher Menschen festgenommen, geschlagen, bedroht, verschleppt und gefoltert. Belarus ist übrigens das einzige europäische Land, in dem Todesstrafen noch verhängt und vollstreckt werden.

Was haben wir damit zu tun? Das bilaterale Handelsvolumen mit Deutschland betrug 2019 rund zwei Mrd. EUR, jenes mit der EU insgesamt knapp 16 Mrd. EUR. Obgleich mit niedrigem Anteil am gesamten belarussischen Außenhandel, nimmt Deutschland hinter Russland, der Ukraine und China den vierten Platz ein. Deutschland hat seine Solidarität mit der Opposition bekundet, hielt sich aber lange mit Blick nach Moskau eher zurück. Auch nachdem die EU gegen Lukaschenko und sein Umfeld Sanktionen verhängt hat, machen deutsche Unternehmen immer noch Geschäfte mit Staatsfirmen in Belarus.

Quellen: Auswärtiges Amt, tagesschau.de, Deutsche Welle

4. Dezember: Jemen

Jemen ist Schauplatz einer der dramatischsten humanitären Krisen weltweit. Sie hat sich seit Beginn des Jemen-Konflikts im März 2015 immer weiter zugespitzt. 24 Millionen Menschen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Das Land weist weltweit die dritthöchste Rate von Unterernährung auf, 360.000 Kinder sind akut unterernährt. Durch fehlenden Zugang zu medizinischer Versorgung sowie die Zerstörung von Wasserleitungen und sanitären Einrichtungen werden die Folgen der Mangelernährung zusätzlich verschärft. Die Anfälligkeit für Epidemien ist stark gestiegen. Laut UNICEF stirbt alle 10 Minuten ein Kind an vermeidbaren Krankheiten. Aufgrund von Mangel an sauberem Wasser breitet sich Cholera immer weiter aus, seit Anfang 2019 sind es über 460.000 Verdachtsfälle.
Der anhaltende Konflikt hat über 3,6 Millionen Menschen vertrieben, aufgrund anhaltender Kampfhandlungen sind weitere 300.000 Menschen seit Anfang 2019 auf der Flucht. Sie sind besonders gefährdet und schutzbedürftig. Ebenso befinden sich im Land 280.000 Flüchtlinge aus den Staaten am Horn von Afrika. Die Zahl von Kinderehen und Kindersoldaten steigt, geschlechterspezifische Gewalt nimmt zu.

Was haben wir damit zu tun? Zwar hat das Auswärtige Amt 2018 und 2019 ca. 250 Millionen Euro für humanitäre Hilfe in Jemen zur Verfügung gestellt (2020 sollen 125 Mio. bereitgestellt werden). Die Bundesregierung hat seit Anfang 2019 aber auch Rüstungsexporte für mehr als eine Milliarde Euro an Länder genehmigt, die am Jemen-Krieg beteiligt sind.

Quellen: Auswärtiges Amt, Deutsche Welle

5. Dezember: Brasilien

Nicht erst seit der Wahl Jair Bolsonaros im Jahr 2018 sind in Brasilien schwerwiegendste Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung. Dies betrifft unter anderem Menschenhandel, vorrangig zum Zweck der Zwangsarbeit und sexueller Ausbeutung, exzessive Gewaltanwendung durch Polizei, Armee und Gefängnispersonal und massive Diskriminierungen von Minderheiten. Frauen, Kinder, LGBTI-Menschen, indigene Völker, Menschenrechts-, Umwelt- und Landaktivisten sowie Bewohner der Armenviertel zählen am häufigsten zu den Opfern. Die Gewalttaten bleiben meist straflos, selbst rechtswidrige Tötungen werden nicht unabhängig untersucht.

Was haben wir damit zu tun? Zahlreiche Tötungen und Zwangsräumungen waren das Ergebnis von Landkonflikten, welche durch den Export von beispielsweise Holz, Palmöl und Fleisch befeuert werden. Kinderarbeit und schlechte Arbeitsbedingungen in vielen Bereichen, wie zum Beispiel auf Orangenplantagen, werden nicht konsequent verfolgt, obwohl 80 Prozent des Orangensafts, der in Österreich und Deutschland konsumiert wird, aus Brasilien stammt. Jedes Jahr reisen immer noch europäische Touristen gezielt ein, um minderjährige Prostituierte zu missbrauchen.

Quellen: Human Rights Watch, Amnesty International, regenwald.org, aktiv-gegen-kinderarbeit.de